100 Jahre alt – immer noch knusprig
Hameln.
Einst war der Gebäckhersteller XOX so groß, dass er sogar Bahlsen das Fürchten lehrte: In den Russisch-Brot-Tüten der Hannoveraner gab es den Buchstaben X nicht – damit niemand auf die Idee kommen konnte, den Namen des großen Konkurrenten mit Bahlsen-Keksen zu legen.
Das war lange vor dem Krieg. Um XOX ist es ruhig geworden. Zeitweise waren die Produkte sogar ganz vom Markt verschwunden. In diesem Jahr feiert das 1908 in Kleve gegründete Unternehmen aber seinen einhundertsten Geburtstag – und ist dabei, nun von Hameln aus erneut die Supermärkte Deutschlands und Europas mit Keksen und Salzgebäck zu erobern.
Die alte Größe aber strebt der heutige XOX-Eigentümer Edmund Besecke mit seinen Chips, Flips, Keksen und Waffeln nicht an. Der gebürtige Hamelner sieht sich hinter Intersnack (Funny-frisch, Chio, Goldfischli) und Lorenz mit gewaltigem Abstand als drittgrößter Anbieter am Markt. „Wir machen so viel Umsatz, wie die fürs Telefonieren ausgeben“, sagt Besecke. Ändern will er daran aber nichts, denn diese relativ kleine Größe gebe ihm die Beweglichkeit, um vergleichsweise risikoarm immer neue Snackideen und Varianten bekannter Produkte am Markt auszuprobieren.
Wenn ein neues XOX-Produkt gut laufe und die Nachahmer auf den Zug aufspringen, dann biete er es den Discountern an und bringe bei XOX schon die nächste Neuerung auf den Markt, sagt Besecke, der sich vor zehn Jahren mit XOX selbstständig gemacht hat. Das war damals ein Wagnis, denn der einst bekannte Name war schon seit Jahren aus den Supermärkten verschwunden.
Doch selbst produzieren wollte Besecke eigentlich nie. „Ich war der Ralph Lauren der Snackbranche.“ Auch der lasse andere produzieren und gebe nur seinen Namen her. „Ich kannte die Snackfabriken europaweit und habe dort einfach freie Kapazitäten eingekauft. Die haben nach meinen Rezepten produziert, und ich habe es vermarktet.“ Noch heute arbeitet er mit Herstellern in neun Ländern – von Ungarn bis Großbritannien – zusammen, die allerdings nur noch ein Drittel der XOX-Produktion beisteuern.
Der 54-jährige Besecke kennt den Markt seit Jahrzehnten. Er war fünf Jahre für Intersnack tätig und dividierte später im Auftrag der Brüder Werner Michael und Lorenz den Bahlsen-Konzern auseinander, als die beiden getrennte Wege gehen wollten. Vornehmlich mit Eigenmarken für Handelskonzerne lief das Geschäft an. Noch heute kommen etwa 35 Prozent der XOX-Waren unter fremden Namen bei Aldi, Lidl und anderen in die Läden.
„Das ging richtig gut – bis April 2004“, erzählt Besecke. Er hatte einen Großauftrag für 600 Lastwagenladungen Knabbersachen an einen Hersteller in den Niederlanden vergeben, der im Mai liefern sollte. Im April habe er aber einen Anruf von dem Betrieb erhalten, man sei insolvent. Besecke sah den Auftrag platzen – und mit ihm seine Reputation bei den Händlern. „Da habe ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig Herzflattern bekommen.“
Besecke musste schnell handeln, also kaufte er den 25-Mann-Betrieb aus der Nähe von Arnheim. Der Auftrag war gerettet, und Besecke plötzlich doch zum Hersteller geworden. Er fand Gefallen daran. Vor allem sei es ein Vorteil gewesen, die eigenen Rezepturen nicht mehr an potenzielle Wettbewerber geben zu müssen, damit die für XOX produzieren.
Als heimatverbundener Hamelner holte er die Maschinen im Jahr darauf von den Niederlanden in die Rattenfängerstadt und baute dort seine eigene Fabrik auf. 10 Millionen Euro habe er bereits in den Standort investiert, die Baupläne für eine weitere Produktionshalle hängen bereits in Beseckes Büro.
Derzeit beschäftigt er in Hameln 75 Menschen. Die Geschäfte laufen gut, 25 Arbeitsplätze könnten noch dazukommen, meint er. Auch die Erlöse sollen wachsen – in diesem Jahr liegt die Zielmarke bei 25 Millionen Euro, Besecke rechnet mit einem jährlich Umsatzwachstum im „hohen zweistelligen Prozentbereich“. Aber: „Wir können nur so schnell wachsen, wie wir es bezahlen können.“ Kredite seien für Mittelständler wie ihn nur schwer zu bekommen.
Bis er 70 ist, will der 54-Jährige den Betrieb noch leiten. Zu gern tüftelt er an neuen Produkten und Rezepten. „Ich will Vielfalt und Innovationen in den Snackmarkt bringen.“ So hat er Chips aus der Urkartoffel Maniok mit thailändischen Gewürzen auf den Markt gebracht, und Apfelchips fast ganz ohne Fett gebe es nur von XOX, sagt er. Als Nächstes kommen Gemüsechips aus Möhre, Rote Bete und Sellerie. „Das Besondere ist das Trocknungsverfahren.“ Mehr will Besecke nicht verraten. Und er kenne niemanden sonst, der für den Krabben-Snack Krupuk die Schalentiere ohne Kopf und Darm verarbeite. Lohnt der Aufwand? Besecke nickt: „Den Unterschied schmeckt man.“